Permakultur als Rezept für das Leben in Gemeinschaft
Es geht in der Permakultur immer darum, Systeme zu gestalten, die so robust und dauerhaft produktiv sind wie ein natürliches Ökosystem – bei möglichst geringem Energieverbrauch. In Bezug auf Gemeinschaften heisst das: Wir organisieren uns so, dass es allen gut geht, dass möglichst alle Bedürfnisse erfüllt werden, ohne dass wir uns bis zum Gehtnichtmehr verausgaben müssen. Es geht schliesslich um nichts Geringeres als um unsere Lebenszeit.
«Zwar mag der Mensch in der natürlichen Welt eine ungewöhnliche Spezies sein, er unterliegt jedoch denselben naturwissenschaftlichen (Energie-)Gesetzen, die im materiellen Universum wirken, einschliesslich der Evolution des Lebens. »
David Holmgren, Umweltdesigner, Mitbegründer des Permakulturkonzepts
In der Permakultur sagen wir: Schau auf die Natur, beobachte sie und lerne von ihr. Als Menschen sind wir Teil der Natur – und was in der Natur funktioniert, funktioniert auch in sozialen Gemeinschaften. Zum Beispiel:
Prinzip: Beobachte und interagiere
Am Anfang jeder Permakulturgestaltung steht das Beobachten. Im Garten heisst das: Was wächst hier von alleine? Woher kommt das Wasser, die Sonne, der Wind? Wo ist es feucht, wo trocken? Wo ist es sonnig, wo schattig? Welche Einflüsse von aussen gibt es?
Bezogen auf die Zukunft könnte das heissen: Stelle dein Leben und deine Haltung auf den Prüfstand! Wie denkst du über Gemeinschaft, Liebe, Kinder, Arbeit, Geld und Sex? Welche Glaubenssätze und Gewohnheiten prägen dein Denken und Handeln? Und wenn es um die Gemeinschaft geht: Wie können die vorhandenen Ressourcen bestmöglich genutzt werden? Welches Design ist geeignet?
Prinzip: Nutze Veränderung und reagiere kreativ darauf
Wir erleben einen grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Wandel, wie es ihn noch nie gegeben hat. Wir wünschen uns das Alte nicht zurück, denn wir wissen seit langem, dass die alten, maroden Systeme ausgedient haben und dem Untergang geweiht sind.
«Die Kraft der Vision heisst, Dinge nicht so zu sehen, wie sie sind, sondern so, wie sie einmal sein werden.»
David Holmgren
Noch nie standen die Zeichen für einen Systemwechsel günstiger. Wir haben jetzt die Chance, neue Strukturen aufzubauen – und wir können bei uns selbst beginnen. David Holmgren schreibt dazu: «In Beratungen und Permakultur-Design-Kursen ist mir aufgefallen, dass Menschen nach und nach ihre gesamte Lebensweise in den Blick nehmen, wenn sie erst einmal beginnen, systematischer über die Gestaltung ihres Hauses und ihres Gartens nachzudenken. Als Folge dieses ganzheitlichen Ansatzes lässt sich durch persönliche Veränderung oftmals leichter, schneller und besser Wandel herbeiführen als durch die direkte Veränderung der externen Faktoren, die anfangs im Blickfeld standen. Oftmals ist hier die Maxime ‚Ändere dich, und du veränderst die Welt‘ wahr.»
Prinzip: Patterns/Muster
Alles in der Natur setzt sich zusammen aus Mustern, die ineinandergreifen. Erstaunlicherweise besteht die ungeheure Komplexität des Lebens in lediglich einer kleinen Anzahl Muster, die in unendlichen Variationen auftreten. Wir lernen, die Mustersprache der Natur zu verstehen und bauen sie in den Entwurf ein.
Lappen und Waben beispielsweise bieten zahlreiche Randzonen für den Austausch der einzelnen Teile. Die einzelnen Teile greifen ineinander und können aus einfachen Elementen eine grosse und starke Struktur erschaffen, die Schutz und Kraft bietet.
Kooperative Gemeinschaften und freiheitliche Lernformen tendieren dazu, sich wabenförmig in einer netzartigen Struktur zu organisieren, mit zahlreichen «Knoten», von denen keiner mehr oder weniger wichtig ist als der andere.
Prinzip: Nutze und schätze die Vielfalt
In der Natur wurde beobachtet, dass Vielfalt konkurrierende Beziehungen eher verringert und Kooperation und Symbiose fördert. Vielfalt an Pflanzen, Tieren, Elementen, Beziehungen und Ernten bringt Stabilität.
Was ein System stabil macht, ist aber nicht so sehr die Anzahl verschiedener Arten, sondern die Anzahl an funktionalen Verbindungen zwischen diesen Arten. Es sind diese Verbindungen, die zu einem selbstregulierenden System beitragen.
In Zoos und botanischen Gärten beispielsweise leben viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten, doch sie leben von einander abgetrennt und stehen kaum in Verbindung. Entsprechend bildet sich an diesen Orten kein selbstregulierendes und stabiles Ökosystem. Auf Menschen bezogen gilt dasselbe: Es sind die Beziehungen zu anderen Menschen, die für Stabilität sorgen. Sie sind das Netz, das uns auffängt und trägt.
Darüber hinaus bietet die Gemeinschaft eine Vielfalt an Wissen und Inspiration. Hier leben Handwerker/innen, Künstler/innen, Wissenschaftler/innen, sportliche, kreative und musikalische Menschen, alte und junge. Jeder Mensch hat seine Talente und Leidenschaften, die er in die Gemeinschaft einbringt, und sein einmaliges Wesen. Davon profitieren alle – auch die Kinder mit ihren vielfältigen Interessen und Begabungen.
Prinzip: Funktionsmanagement
Jedes Permakultur-Element erfüllt mehrere Aufgaben, und jede wichtige Aufgabe im System wird von mehreren Elementen erfüllt.
Ein Sprichwort lautet: «Es braucht ein Dorf, um ein Kind grosszuziehen». In der Kleinfamilie gibt es nur Mutter und Vater. Diese zwei Menschen sollen dem Kind alles geben, was es braucht, sollen sein Vertrauen ins Leben festigen, seine Neugierde befriedigen und es angemessen fördern. Sie sind ausserdem zuständig für die Sicherung der Existenz und sollen ihre Beziehung in Schuss halten, damit die Liebe ewig währet, wie es das romantische Narrativ verlangt.
Selbst wenn es gut läuft zwischen Frau und Mann: Das Klumpenrisiko bleibt – und niemand weiss, was die Zukunft bringt. Ergo kann das Prinzip des Funktionsmanagements in der Kleinfamilie nicht umgesetzt werden.
In Gemeinschaften nach matrifokalem Vorbild dagegen ist die Verantwortung auf zahlreiche erwachsene Menschen verteilt. Die Erwachsenen übernehmen kollektiv Verantwortung für die Kinder – nicht nur für die eigenen. Wer so aufwächst, kennt keinen Mangel und vertraut dem Leben.
Prinzip: Nutze Randzonen und schätze das Marginale
Veränderung geschieht nicht mitten in der Komfortzone, wo es warm und gemütlich ist. Die Magie passiert am Rande – da kannst du jeden Biologen fragen. Randzonen sind dynamische und produktive Teile von natürlichen Systemen. Hier findet der Material- und Energieaustausch statt – und hier entsteht das Neue.
«Auch ausgetretene Pfade können Holzwege sein.»
David Holmgren
Es ist kein Zufall, dass die Permakultur im abgelegenen australischen Bundesstaat Tasmanien «erfunden» wurde, sozusagen am Rand der zivilisierten Welt. Bill Mollison ist dort aufgewachsen, verliess die Schule mit vierzehn, war Fischer und Buschbewohner und entwickelte sich zum Naturkundler, Hochschullehrer, Umweltaktivisten, Mitbegründer und weltweit aktiven Permakulturlehrer. Radikale Innovation entsteht oft nicht in den Hochburgen der Zivilisation, sondern an den Rändern der wohlhabenden Welt.
Auch wir befinden uns gewissermassen in einer Randzone, an der Schnittstelle von alt und neu. Sowohl die kooperativen wie auch die konkurrierenden Beziehungen können wir nutzen, um das Neue zu gestalten. Das ist zwar manchmal anstrengend, aber ungeheuer spannend!
Prinzip: Effizientes Energiemanagement
Zonenplanung: Bestmögliche Nutzung der Energie im System
Sektorenplanung: Bestmögliche Nutzung der von aussen einströmenden Energie
Das Weibliche ist Einatmen. Das Männliche ist Ausatmen.
Stressbedingte Erkrankungen, Erschöpfung und Burnout haben hier ihren Ursprung: Zu wenig einatmen, zu viel ausatmen. In patriarchalen Strukturen nimmt das Ausatmen überhand. Das tut niemandem gut, aber ganz besonders nicht den Frauen, denn das Weibliche gibt nicht – es empfängt. Die Realität sehr vieler Frauen sieht anders aus.
Selbst wenn die Beziehung harmonisch ist, bleibt das energetische Ungleichgewicht, denn Frauen regenerieren sich selten im familiären Raum. Für sie ist die Familie in erster Linie ein Arbeitsplatz und ein Ort der Verantwortung für Kinder.
Für die Mehrzahl der Männer hingegen steht die Familie für Erholung und Freizeit. Hier tanken sie auf; hier geniessen sie den Rückhalt, den sie brauchen, um kontinuierlich erwerbstätig zu sein. Tatsächlich zeigen Gesundheitsdaten, dass die Ehe für Männer gesundheitsfördernd wirkt und ihre Lebenserwartung erhöht. Für Frauen konnte keine solche Wirkung festgestellt werden.
Während die Frau für den Mann eine Energieressource ist, funktioniert es umgekehrt nicht, denn die Frau nährt sich nicht vom Mann, sondern von anderen Frauen, genau gesagt: vom Weiblichen in anderen Frauen. Wenn Frauen in Gemeinschaft mit anderen Frauen leben, erfahren sie nicht nur konkrete Unterstützung im Alltag, sondern profitieren auch energetisch.
Wir erinnern uns: Permakultur strebt immer danach, ein Minimum an Energie möglichst effektiv und effizient zu nutzen.
Weitere Permakultur-Prinzipien wie Kreislaufwirtschaft, Sukzession fördern, Nutzung diversifizieren usw. werden in zahlreichen alternativen Wohnprojekten und Gemeinschaften bereits umgesetzt.
Quellen und Inspiration
- Charlotte Ashwanden, Patterns in Social Permaculture
- Looby Macnamara: People & Permaculture
- David Holmgren, Permakultur. Gestaltungsprinzipien für zukunftsfähige Lebensweisen
- Karin Schlieber, Prinzip Permakultur
- Mariam Irene Tazi-Preve, Das Versagen der Kleinfamilie
Mehr dazu
- «Mit der Permakultur wollen wir grösstmöglichen Nutzen stiften». Interview mit Permakultur-Designer Marcus Pan im Blog der Gartenbauschule Hünibach
- Die Kleinfamilie ist keine natürliche Lebensform, hier bei Wild & mutig


