Patriarchat

Wie fing das eigentlich an mit dem Patriarchat?

Die Patriarchalisierung ist archäologisch erkennbar an den ersten Kriegen und befestigten Siedlungen, die in den Zeiten davor unbekannt waren. Erstmals kam es zu Reichsgründungen durch kriegerische Eroberungen. Parallel dazu setzte ein rasanter kultureller Niedergang ein.

Das Massaker von Talheim ist das prominenteste Beispiel für die beginnende Gewalt in Mitteleuropa um ca. 5000 v.u.Z. und damit für die beginnende Patriarchalisierung. Es wird auch von der herrschenden Lehre als einer der ersten Kriegsschauplätze bezeichnet. 34 Menschen kamen ums Leben und wurden in einer Grube verscharrt. Wer waren die Täter?

Marija Gimbutas und die Kurgan-These

Die litauisch-amerikanische Archäologin und Patriarchatsforscherin Marija Gimbutas (1921 – 1994) machte dafür indoeuropäische, nomadische Invasoren aus der russischen Steppe verantwortlich. Gimbutas legte den archäologischen Grundstein der Patriarchatsforschung und vertrat die sogenannte Kurgan-These, wonach berittene Krieger aus der südrussischen Steppe das alte Europa in drei Eroberungswellen sozusagen militärisch überrollten und eine patriarchale Herrschaft errichteten.

Charakteristisch für die Kurgankultur waren unter anderem Höhensiedlungen, Hügelgräber (Kurgane), Sonnenkulte sowie die Haltung von Pferden, die zunächst der Ernährung dienten und schliesslich zu Waffen verkamen. Inzwischen liegen neue Erkenntnisse zur Patriarchalisierung vor, die nahelegen, dass das Massaker sehr wahrscheinlich nicht auf das Konto indoeuropäischer Nomaden-Krieger ging. 

Die Patriarchatsforscherin Gabriele Uhlmann schreibt dazu in ihrem Buch Der Gott im 9. Monat:

Ereignisse wie das «Massaker von Talheim» gehören in die Zeit der ersten landwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise und wurden wahrscheinlich nicht von gewaltbereiten, indoeuropäischen Migranten angezettelt, wie GIMBUTAS noch annahm, sondern markieren eine indigene Entwicklung in Richtung einer von Männern dominierten Viehwirtschaft, die nicht nur erste Spuren der Gruppengewalt hinterliess, sondern Vorbote einer landesweiten Entwicklung war., welche von der späteren indoeuropäischen Eroberung erst richtig in Schwung gebracht wurde.

Manche Forschungen gehen davon aus, das Aufbrechen matriarchaler Verhältnisse sei vor allem mit Notsituationen verbunden gewesen, die durch Klimaveränderungen und dadurch in Gang gesetzte Wanderungen ausgelöst wurden.

Marija Gimbutas war der Meinung, dass die gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen nicht allein mit klimatischen Veränderungen, der Auslaugung des Landes oder Epidemien erklärbar seien. Ihrer Meinung nach entstand das Patriarchat mit dem Nomadentum und nicht mit der Sesshaftigkeit oder gar dem Wildbeutertum. 

DNA-Analysen bestätigen matrifokale Lebensweise in der Altsteinzeit

Belege dafür liefert unter anderem das Beispiel von Çatal Höyük: Diese jungsteinzeitliche Grosssiedlung und Ackerbaukultur auf dem Gebiet des heutigen Anatoliens (Türkei) hatte offenbar während 1800 Jahren friedlich und gewaltlos bestanden, denn es fehlten jegliche Anzeichen für ein Patriarchat. 

Zu einem ähnlichen Schluss kamen auch Experten der Universität Liverpool, die zahlreiche Skelette aus neolithischen Dörfern Anatoliens analysierten. Sie fanden anhand dieser Analysen heraus, dass frühe neolithische Gesellschaften offenbar entlang biologischer Familienbande organisiert waren, erkennbar daran, dass in den Gräbern Menschen lagen, die miteinander blutsverwandt waren.

Das änderte sich im Laufe der Zeit: Studien von Friedhöfen aus der Jungsteinzeit und dem Bronze-Zeitalter belegen, dass patrilokale Traditionen zu jener Zeit hervorstachen. Die Überreste erwachsener Frauen in diesen Gräbern wurden durchgehend als fremd identifiziert.

(Siehe dazu auch diesen Artikel vom 4. April 2021: Ancient DNA hints at diverse Stone Age traditions of kinship)

Das Patriarchat entstand mit der Viehzucht und dem Nomadentum

Nach Meinung von Gabriele Uhlmann waren die ersten «Patriarchen» nicht berittene Krieger, sondern gewaltbereite Rinderbauern aus der südrussischen Steppe, die als Hirtennomaden in einem extremen Lebensraum lebten und mit Ochsen unterwegs waren. An diesen Lebensraum hätten sich die Menschen aus «Zeitmangel» nicht evolutionär anpassen können, sondern nur durch Kulturtechnik, was zur Degeneration des menschlichen Verhaltens führte. 

Ausschlaggebend für das patriarchale Denken ist jedoch nicht die Viehhaltung, sondern die Viehzucht, die unter Missachtung der «female Choice» betrieben wird. Gabriele Uhlmann stellt fest, dass der Umgang mit Frauen und Kindern – ja der ganzen Menschheit – vom Geist der Tierzucht geprägt ist. Sie schreibt:

«Um Tiere zu züchten, müssen wilde Tierweibchen eingefangen und festgebunden werden. Die Züchter ermöglichen es dann ausgewählten männlichen Tieren, die Weibchen zu vergewaltigen. Die female choice der Weibchen wird vollständig unterdrückt. Um einen solchen Tabubruch zu begehen, müssen Männer jegliche Achtung vor dem mütterlichen Prinzip verloren haben.»

Unter natürlichen, sprich matrifokalen Bedingungen würde eine Frau zirka alle vier bis fünf Jahre schwanger. Weil im Patriarchat die «female choice» missachtet wird, herrscht dort stets Überbevölkerung sowie generell ein Männerüberschuss.

Frauen wurden zu Hilfskräften der männlichen Rinderzüchter degradiert

Gerhard Bott erklärt in seinem Buch Die Erfindung der Götter, warum Nomaden in der Regel Patriarchen sind:

Da bei den Bovidennomaden* die Frauen wegen der Aufgabe der Sesshaftigkeit ihre eigene Agrarproduktion aufgeben mussten, wurden sie zu blossen Hilfskräften der männlichen Bovidenzüchter degradiert, z.B. als Melkerinnen. Deshalb können wir hier die endgültige Entwicklung zur patrifokalen Paarungsfamilienstruktur, verbunden mit Patrilokalität der Exogamie ansetzen. Durch die Überwindung des Stiers und dessen Kastration zum Arbeitsochsen ist das ökonomische Selbstwertgefühl der Männer erheblich gestiegen. (…) Seit etwa 3000 Jahren, d.h. seit 8000 v. Chr., weiss auch der Mann um seine Zeugungskraft (…) und im Stierkult feiert er diese, identifiziert sich mit dem Herden-Stier, der allein eine ganze Herde von Kühen befruchten kann. Im Glauben, dass die Fruchtbarkeit der Männer quantitativ die der Frauen bei weitem übersteigt, hat wohl die hier aufbrechende patriarchalische Hybris** ihre Wurzel.
(*Boviden = biol. «Hornträger». Damit sind die Rinder gemeint)
(**Hybris = eine extreme Form der Selbstüberschätzung oder auch des Hochmuts)

Im Zuge der Patriarchalisierung, die sich langsam vollzog, wurden die Frauen aus ihrer matrilinear-frauenkollektiven ökonomischen Unabhängigkeit gedrängt. Während sie zuvor den gleichen Zugang zu Nahrung, Schutz und sozialer Unterstützung hatten wie Männer, fanden sie sich nun in einer Welt wieder, in der sie ihre Reproduktionskapazitäten gegen den Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen eintauschen mussten.

Ergo ist die angebliche Präferenz für potenziell wohlhabende Männer keine angeborene evolutionäre Programmierung, sondern eine Anpassung an eine Welt, in der Männer einen Grossteil der Ressourcen kontrollieren.

Vaterschaft wird zum Thema

Erstmals in der Geschichte der Menschheit wurde mit der Patriarchalisierung auch die Sicherstellung der biologischen Vaterschaft zum Thema – ein wesentlicher Bestandteil des Patriarchats. Der Mann will sichergehen, dass der eigene Nachwuchs Haus, Hof und Herde erbt.

Der Jungfern- und Keuschheitsskult hat hier seinen Ursprung: Die ursprüngliche «female choice», die selbstbestimmte, sexuelle Freiheit der Frau, wurde beschnitten, damit Klarheit über die eigenen Nachkommen herrscht – und damit über die Besitzansprüche. Während Frauen in den Wildbeuter-Kulturen eine zentrale, respektierte Rolle innegehabt hatten, wurden sie nun zum Besitz des Mannes, den dieser zusammen mit Haus, Vieh und Sklaven verteidigen musste.

Tatmotiv Frauenraub und Entführung

Und wie war das jetzt mit Frauenraub und Entführung?

In den bandkeramischen Massakern von Talheim und an weiteren Orten fehlten in den Massengräbern weitgehend die jungen Frauen. Ergo ist es denkbar, dass Frauenraub das Tatmotiv war. Das neue Besitzdenken der Viehzüchter erforderte es, viele Söhne zu haben, welche die Herden verteidigten und bei der Vermehrung halfen. Es mussten also Frauen her, die schon als Mädchen aus ihren Clans entführt oder geraubt und in besetztes Gebiet verbracht wurden, wo sie dann, isoliert und ohne den Schutz ihrer Ursprungssippen, der Willkür des Mannes und seiner Sippe ausgesetzt waren.

Fazit: Das Patriarchat begann vor schätzungsweise 7000 Jahren gewaltsam durch Entführung und Frauenraub, begangen von gewaltbereiten Rindernomaden. Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt und bestraft; Männer, die dies verhindern wollten, wurden ermordet. Ziel war die «Zucht» eigener Nachkommen und die Sicherstellung der Vaterschaft. Die Utopie des Patriarchats ist letztlich die mutter- und naturlose Gesellschaft.

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(Photo by Vivian Arcidiacono on Unsplash)