Die Kleinfamilie ist keine natürliche Lebensform
Die Kleinfamilie beruht auf einer juristischen Finte der Römer, mit der etwas sichergestellt und amtlich besiegelt werden soll, das gar nicht sicher sein kann, nämlich die Vaterschaft. Denn während die Mutterschaft schon immer augenscheinlich war, kann ein Mann nicht wissen, ob das Kind von ihm ist.
Im Patriarchat will der Mann aber wissen, wem er dereinst Haus und Hof vererbt, nämlich seinen eigenen Nachkommen. Also wurde die Ehe erfunden. Sie «begründet rechtlich die Hoheit des ‚pater familias‘ über die Früchte seines Landes, seines Haushalts und ’seiner Lenden’» und ist «der Ort der Zurichtung des Menschen in die patriarchale Zivilisation»*.
*Mariam Irene Tazi-Preve in Das Versagen der Kleinfamilie
Die Kleinfamilie missachtet die natürliche Ordnung, wonach Mütter und Kinder im Zentrum der Gemeinschaft und der Fürsorge stehen. Und mit «Kleinfamilie» ist hier nicht nur die klassische Vater-Mutter-und-zwei-Kinder-Familie gemeint: Auch «Grossfamilien» mit zahlreichen Kindern sowie Mehrgenerationen-Familien gehören dazu, wenn sie nach dem Muster «Vater, Mutter, Kind» gestrickt sind.
In den Medien, im Alltag und auch in der Gesetzgebung wird uns suggeriert, eine dauerhafte romantische Beziehung sei die Realität und das liebende Paar sei die Norm. Wir sollen glauben, dass die romantischen Gefühle zweier Menschen für einander ein taugliches Fundament seien für den Aufbau unserer gesamten Existenz, wirtschaftlich und emotional, und dass diese (in der Regel flüchtigen) Gefühle ein Leben lang Bestand hätten. Damit einher geht das Konzept der (lebenslangen) Treue.
Hohe Scheidungs- und Trennungsraten, Rosenkriege und zahlreiche Sex-Skandale erzählen eine ganz andere Geschichte. Es müsste uns auch zu denken geben, dass die meisten Tötungsdelikte an Frauen von (Ex-)Partnern verübt werden.
Gigantisches Klumpenrisiko und fehlende Redundanz
Für jede Menge Frust, Erschöpfung und Probleme sorgt das gigantische Klumpenrisiko: In der Kleinfamilie liegen Aufgaben und Verantwortung in der Regel auf den Schultern zweier Menschen. Wenn einer wegfällt durch Trennung, Krankheit oder Tod, trägt der übriggebliebene die gesamte Last. Ein solches System verfügt über keinerlei Redundanz und steht in krassem Widerspruch zum permakulturellen Prinzip des Funktionsmanagements, wonach jede wichtige Aufgabe im System von mehreren Elementen erfüllt wird.
Auch das permakulturelle Prinzip der Vielfalt kommt in der Kleinfamilie nicht zum Zug, denn angesichts zweier Erwachsener, mit denen das Kind (im Idealfall) aufwächst, kann man wohl kaum von Vielfalt sprechen.
Das Klumpenrisiko bleibt, auch wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ab einem gewissen Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man den nächsten Morgen nicht erlebt. Wenn einer geht, bleibt der andere allein.
Abgesehen davon: Ich kann nichts Erfüllendes daran finden, als alte Frau mit einem alten Mann zusammenzuleben, der möglicherweise noch schlechter beieinander ist als ich. Oder, umgekehrt, der alte Mann ist besser beieinander als ich und muss sich um mich kümmern, weil sich das so gehört. Gemeinsam hocken wir dann auf unserer Bude, sehen fern und plagen uns ab mit den Mühen des Alltags. Dazu kommt dann vielleicht noch ein amtlich verordnetes Besuchsverbot, weil andere Menschen und ganz besonders unsere Enkel uns angeblich töten könnten, wenn sie uns zu nahe kommen.
Mit Kleinfamilien lassen sich keine stabilen und nachhaltigen Gemeinschaften aufbauen
Die Abkehr vom Glaubenssystem der Kleinfamilie ist eine Voraussetzung für den Aufbau langfristig stabiler und nachhaltiger Gemeinschaften, in denen Menschen jeden Alters ein sicheres Zuhause und eine Zugehörigkeit haben, auf Lebenszeit. Eine weitere Voraussetzung ist die Anerkennung und Wiederherstellung der Female Choice.
«Dass Partner/innen auch nach dem anfänglichen Liebesrausch zusammenbleiben, hat in der Realität viel mehr damit zu tun, dass die Paarbeziehung eine sozial erwünschte Lebensform ist, und damit, dass Kinder und Besitz sie aneinander ketten. Eine Rolle spielt auch, dass sie kaum auf alternative soziale und emotionale Unterstützungssysteme zurückgreifen können. Und eine eventuelle Rückkehr in den elterlichen Haushalt wird wiederum in der Kleinfamilienkultur als Mangel an Erwachsensein und Autonomie interpretiert.»
Mariam Tazi-Preve
Die Bindung an einen festen Partner steht überdies in vielen Fällen der Persönlichkeitsentwicklung im Weg. Man/frau macht es sich in der Paarbeziehung gemütlich und webt sich in ein Leben, das einen von Ängsten möglichst abgrenzt. Man gibt sich damit zufrieden, in Sicherheit zu sein, und überlässt es dem Körper, mit allerlei Beschwerden auf das ungenutzte Potenzial und die unterdrückten Sehnsüchte zu reagieren.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Sexualpartner/innen unter demselben Dach leben, alles miteinander teilen und möglichst alles voneinander wissen sollten. Und was ist die Alternative?
Gemeinschaften nach matrifokalem Muster
In Gemeinschaften nach matrifokalem Muster leben Menschen jeden Alters, die sich gegenseitig unterstützen. Sie pflegen keine sexuellen Beziehungen untereinander und kümmern sich kollektiv um die Kinder. Sexuelle Beziehungen werden exogam, sprich ausserhalb der Gemeinschaft gelebt. Entsteht daraus ein Kind, wächst es in der Gemeinschaft der Mutter auf.
Alle Menschen, die hier leben, können für immer bleiben. Sie können kurze oder lange romantische Beziehungen mit Menschen aus anderen Gemeinschaften pflegen, und wenn eine solche Beziehung in die Brüche geht, ist sie das Einzige, das in die Brüche geht. Die Beteiligten verlieren weder ihr Heim, noch verlieren Kinder einen Elternteil oder ihr gewohntes Umfeld. Eine Trennung hat für niemanden existenzielle Nachteile, denn es gibt weder gemeinsamen Besitz noch wirtschaftliche Abhängigkeit von einander – und auch keine gemeinsame Verantwortung für Kinder, denn für diese ist in der Gemeinschaft der Mutter gesorgt.
Matrifokalität ist das uns angeborene Sozialverhalten. Sie stellt sicher, dass Kinder in einem stabilen Umfeld aufwachsen, dass sie sowohl wirtschaftlich wie emotional gut versorgt sind und ihr Potenzial bestmöglich entfalten können.
(Photo by Natalya Zaritskaya on Unsplash)
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