Es war einmal … Frieden auf Erden
Archäologische Funde deuten darauf hin, dass bis zum Einsetzen der Jungsteinzeit (Neolithikum; in Mittel- und Nordwesteuropa zwischen 5800 und 4000 v.u.Z.) auf der Erde weitgehend friedliche Verhältnisse herrschten. Aus jener Zeit wurden keine Waffen gefunden, und es gab keine Hinweise auf Krieg oder Gewalt.
Es gilt heute als belegt, dass die altsteinzeitlichen Wildbeutergesellschaften egalitäre, akephale (ohne zentralisierte Herrschaft) Gruppen ohne Hierarchie waren. Hinweise auf Hierarchie und Krieg tauchen erstmals in der Jungsteinzeit auf. Möglicherweise war den Menschen bis zu diesem Zeitpunkt irgendwie bewusst gewesen, dass sie nur überleben konnten, wenn sie einander halfen und das Feuer teilten.
Archäologische Funde, das sind zum Beispiel Überreste von Siedlungen, Grabbeigaben, Felszeichnungen, aber auch Knochenfunde, anhand derer festgestellt werden kann, ob der Mensch eines gewaltsamen Todes gestorben ist. In vorpatriarchaler Zeit wurden Siedlungen beispielsweise nicht an militärstrategisch günstigen Orten errichtet, denn es gab keine Überfälle zu befürchten. Stattdessen siedelte man dort, wo es Wasser und Nahrung gab und/oder Schutz vor den Elementen.
Funde können unterschiedlich interpretiert werden
Nun sind archäologische Funde immer auch Interpretationssache – und alles Sehen ist perspektivisch. Wir sehen sozusagen, was wir sehen wollen. Ein und derselbe Fund kann unterschiedlich interpretiert werden. Ein Verfechter des Patriarchats sieht in einer Figur mit spitzem Kopf und erhobenen Armen vielleicht einen Krieger, während eine Matriarchatsforscherin darin eine Vogelgöttin sieht.
Es fällt allerdings auf, dass die herrschende Lehre auf Biegen und Brechen daran festhält, dass schon unsere Urahnen in der Altsteinzeit in patriarchalen Verhältnissen lebte. Erkenntnisse der Patriarchatsforschung werden hartnäckig ignoriert. Stattdessen wird behauptet, Gewalt sei schon immer da gewesen und sei sozusagen Bestandteil der menschlichen Natur – ebenso wie der Wunsch nach einer monogamen Paarbeziehung. Beides ist nicht der Fall. (Mehr über den Mythos der monogamen Paarbeziehung erfährst du im Artikel Sex – Die wahre Geschichte.)
Unsere Vorfahren waren Wildbeuter und lebten in matrifokalen Gemeinschaften
Je nach Quelle, die man konsultiert, geht man davon aus, dass die Menschen damals in matrifokalen Gemeinschaften von zirka 60 bis 120 Mitgliedern lebten, als Wildbeuter, das heisst die Frauen als Sammlerinnen und die Männer als Jäger.
Matrifokal heisst: Mütter und Kinder standen im Zentrum der Gemeinschaft und genossen deren Schutz. Matrifokalität hat nichts mit Macht zu tun, sondern mit Fürsorge und Kooperation. Eigentlich logisch: Kinder brauchen ein möglichst sicheres und stabiles Umfeld.
Sexualität wurde exogam, also ausserhalb der eigenen Sippe gelebt. Es gab keine Paarungsfamilien, und Vaterschaft war unbekannt. Eine Frau hatte Kinder von verschiedenen Männern, was evolutionär betrachtet durchaus Sinn ergibt. Frauen wurden trotz häufigem Sexualverkehr im Schnitt alle vier bis fünf Jahre schwanger, was die Überlebenschancen für Mutter und Kind signifikant erhöhte. Die langen Zwischen-Geburtszeiten verhinderten gleichzeitig eine Überbevölkerung.
Der altsteinzeitliche Mann trug Verantwortung – wenn überhaupt – nur für die heranwachsenden Söhne seiner Schwestern, mit denen er über die Mutter blutsverwandt war. Seine leiblichen Kinder, von denen er nichts wusste, wuchsen im Clan der Mutter auf. Es ist beim Menschen genetisch nicht verankert, dass ein Vater sich um sein leibliches Kind kümmert.
Diese Zeit der Menschheitsgeschichte war geprägt vom Glauben an eine aseitätische, eine aus sich selbst seiende Urmutter, mit der alles begann. Sie war der Motor für die Wiedergeburt des Lebens. Über die Vorstellung, ein alter Mann mit langem Bart könne der «Vater der Schöpfung» sein, hätten sich die Menschen von damals vermutlich schlapp gelacht.
Die Patriarchalisierung begann mit Kriegen und befestigten Siedlungen
Indes, die Idylle hielt nicht an. Aus archäologischer Sicht ist die Patriarchalisierung erkennbar an den ersten Kriegen und befestigten Siedlungen, die in den Zeiten davor unbekannt waren. Parallel dazu ging es mit der Kultur rasant bergab. Das Massaker von Talheim ist das prominenteste Beispiel für das Einsetzen von Gewalt in Mitteleuropa um zirka 5000 v.u.Z. und damit für die beginnende Patriarchalisierung.
Mehr dazu
- Wie fing das eigentlich an mit dem Patriarchat? Hier bei Wild & mutig
- Archäologie und Macht, von Gabriele Uhlmann
- Sex – Die wahre Geschichte, hier bei Wild & mutig
- … sowie alle Beiträge aus der Kategorie Patriarchat


